November

25

2007

Wer zur Hölle ist Oswald Metzger? Seit dem 22. November 2007 dürfen wir auch das wissen.

Erst das Zitat, dann…
Oswald Metzger, Bündnis 90, die Grünen:

"Sozialhilfeempfänger sehen ihren Lebenssinn darin, Kohlehydrate oder Alkohol in sich hineinzustopfen, vor dem Fernseher zu sitzen und das Gleiche den eigenen Kindern angedeihen zu lassen". Deren Kinder "lernen nichts, verdummen buchstäblich durch vielerlei elektronische Medien und kommen dann als Sechsjährige übergewichtig in die Schule", sagte Metzger. "Auf der Basis eines solchen Systems immer noch höhere Zuschüsse zu geben steigert nur die Verwahrlosung"
sagte Metzger in einem Interview, der für die Grünen im baden-württembergischen Landtag sitzt. (Quelle: weltonline.de)

…die Hintergrundinformationen:

Oswald Metzger gilt als Einer des rechten Flügels der Grünen. Ein „Querdenker“. Seine Partei forderte angesichts seines Zitates von ihm, dass er sich bei den Betroffenen am Parteitag in Baden-Württemberg dafür entschuldige.

Schauen wir uns doch gemeinsam an, was diese Entschuldigung wert wäre:

Oswald Metzger ist „ehrenamtliches Kuratoriumsmitglied der Initiative Soziale Marktwirtschaft“, dann war er haushaltspolitischer Sprecher und Obmann im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. Er ist freier Publizist und politischer Berater.

Und er hat nicht den leisesten Anflug von dem Willen, sich für seine haarsträubenden Aussagen zu entschuldigen. Wie auf dem TV- Sender Phoenix, der den Parteitag aufzeichnete unmissverständlich zu vernehmen war, appellierte er an den Realitätssinn seiner Parteigenossen und sprach sich gegen die Individualisierung (Sozialbenachteiligter) aus. Zudem sei er sich sicher, so sein Versuch von Suggestion, dass insgeheim 30% der Anwesenden ihm beipflichten würden.

Er wiederholte und präzisierte sein Statement über Sozialbenachteiligte: Menschen, die „in der zweiten und dritten Generation Sozialhilfeempfänger“ seien und „Hartz-IV-Empfänger“ wären nun mal unmotiviert und würden einen Lebenswandel, geprägt von Alkoholismus und Nichtstun, führen und dieses an ihre Kinder weitergeben. Deshalb fordere er „mehr Bildung“.

...und schließlich der Blick zur Realität, um diesem Wunsch Oswald Metzgers gerecht zu werden und dem nach mehr Bildung:

Herr Oswald Metzger, hier eine Chance der Weiterbildung für Sie, zunächst nur eine kleine Grundlage, damit Sie nicht allzu überfordert sind:

Es gibt gar keine Hartz-IV-Empfänger. Hartz IV ist ein Gesetz. Der Bundesrat schlägt Gesetze vor und der Bundestag verabschiedet Gesetze und der Bürger lebt diese. Aber er „empfängt sie nicht“.

Nach einem Jahr vergeblicher Arbeitgebersucher hat jeder Bürger dieses Landes das Recht, seine Existenz zu sichern, indem er einen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellt. Dieses sichert aber keinesfalls seine Existenz, da er zwar die Kaltmiete von den sogenannten „Arbeitsgemeinschaften aktiv“ (kurz: ARGE), die die Rechtsformen GmbH und GbR tragen und zu 50% von den Kommunen und zu 50% von der Bundesagentur für Arbeit (die ein Haushaltsplus erwirtschaftet hat) verwaltet werden, erhalten, von weiteren 345 Euro aber Strom, Kaltwasser und Alles, was man zum (Über-)leben braucht finanzieren müssen. Auch Zuzahlungen für Medikamente, auch die Mehrwertsteuer von 19%, die diese niemals zurück erstattet bekommen. Auch Reparaturen. Wenn ein Mobiliar altersbedingt oder wegen Materialermüdung ersetzt werden muss, muss das der Sozialbenachteiligte von den 345 Euro finanzieren. Er kann einen zinslosen Kredit bei der ARGE beantragen, der ihm aber von den 345 Euro abgezogen wird. Die ARGE nennt das „angerechnet“ wird.

Das Hartz IV Gesetz sollte den Betroffenen finanzielle Grundlagen entziehen, damit diese „motivierter seien, sich einen Arbeitsplatz“ zu suchen.

Wer sich mit Einstiegsgeld von zusätzlich 345 Euro für Investitionen selbständig machen möchte, muss 80-90% des Gewinns an die ARGE abgeben. Als Finanzexperte können Sie sich ausrechnen, wie hoch die Chance ist, sich mit derartig hohen Abgaben in eine stabile Margenlage zu begeben. Errechnen Sie doch mal den Break-Even-Point. Hausaufgabe!

Wieder und wieder taucht die berechtigte Frage auf: Wo sind die Arbeitsplätze? Etwa 1-Euro-Jobs? Sie sind das, was sie bezeichnen und keine Arbeitsplätze.

Ein Arbeitsplatz im klassischen Sinne, Herr Metzger, schauen wir doch einmal auf die Realität, ist ein Arbeitsplatz mit einem Arbeitsvertrag mit Perspektive. In dem Alles geregelt ist. Rechte und Pflichten beider Vertragspartner: Des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers (interessante Termini!).

Sie sprechen von Alkoholmissbrauch, von Kohlenhydraten, die Sozialbenachteiligte in sich hineinstopfen und von massivem Fernsehkonsum.

Haben Sozialbenachteiligte einen Vertrag mit diesen Verhaltensweisen?

Schüler haben ein Anrecht auf Schulmaterial. Eine Realität, Folge des Hartz IV Gesetzes: Nicht jeder Schüler kann sich das leisten. Das hat mit den Kürzungen zu tun. Aber Herr Metzger, Sie sind finanziell in der Lage, sich das Buch Kulisse Deutschland – Teil 1 zu leisten, das im Verlag BoD erschienen ist.

Dank Ihres für Sie „prekären“ Faux-Pas wissen wir, dass Sie existieren und wer Sie sind.

Herr Metzger, Sie sollten mit der ersten Fortbildungsstunde nicht allzu sehr überfordert werden. Deshalb sollten Sie Gelegenheit haben, das bisher Vorgetragene erst einmal zu verinnerlichen. Aber: Sie wissen ja: Nicht auswendig lernen, sondern den Sinn verstehen.

Ein Schüler braucht Schulmaterial und hat auch Recht darauf, es zu bekommen. Eine der Folgen des Hartz-IV-Gesetzes: Nicht jedes Kind hat aus Mangel an Einkommen der Eltern oder staatlicher Zuwendung die Möglichkeit, Schulmaterial zu erwerben. Das liegt nicht an den Eltern, die ihren Kindern nichts abgeben. Das liegt daran, dass infolge dieses Gesetzes nicht mehr ausreichend Geld für Bücher etc. zur Verfügung gestellt wird. Die Kinderarmut nimmt drastisch zu. Erst diese Woche ist wieder ein Kind infolge dieses Gesetzes verhungert.

Das Buch „Kulisse Deutschland“ kostet 12,80 Euro, und das sollten nicht nur Sie, Herr Metzger bezahlen können. Es beschreibt den Sozialabbau unseres Landes, eines nunmehr ehemaligen Sozialstaates und es beschreibt, wie sich die Folgen des Hartz-IV-Gesetzes, Globalisierung, Neoliberalismus und der neuen, eben nicht mehr sozialen Marktwirtschaft auf die Betroffenen auswirken.

Dieses Buch sollte jeder lesen, der wissen will, wie es mit den Stärksten und Schwächsten unseres Landes bestellt ist.

Und wir schauen dann, sehr geehrter Herr Oswald Metzger, wie gewissenhaft und erfolgreich Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben.


Gisela B. Laux

P.S. Dieser Beitrag wird zusätzlich zu Händen von „Bündnis90/Die Grünen“ gesendet.






geschrieben in die Kategorie Kolumnen
Blog Kategorien:
Letzten 5 Einträge: