November

25

2007

Alles in Butter durch die Neue Marktwirtschaft?


Foto: aboutpixel.de
Wirklich Alles in Butter?

Diesen Artikel habe ich kürzlich geschrieben. Er hat an Aktualität nicht im Geringsten nachgelassen:

Die Neue Marktwirtschaft

Nachfrage schaffen – Billig anbieten – Kreditgeschäfte abwickeln

Massenhysterie im Media Markt Berlin. Menschen rempeln sich um Zwei Uhr Nachts MEZ gegenseitig an. Es kommt zu heftigen Ausschreitungen. Es erinnert an die Chaostage in Hannover. Die elektrischen Rollläden an den Eingangstüren der Niederlassung werden heruntergelassen, die letzten hundert Kunden werden in einem verwüsteten Ambiente abkassiert.

Das Ereignis gibt dem Begriff Konsumterror eine neue Bedeutung. Ursprünglich besagt der Begriff, dass ein Konsumbedürfnis geschaffen wird, dass auf den Endverbraucher wie ein Sog wirkt, dem er sich nicht entziehen kann. Aber der massenhafte Kundenansturm im Berliner Mediamarkt bezeichnet die ungezügelte Gier, jetzt und hier etwas günstig zu bekommen, was man sowieso schon zu Hause hat. Zum Beispiel ein TV-Gerät für „unter 500 Euro“. Mit dieser Preisschwelle werben derzeitig andere Unternehmen. Und obwohl diese Summe etwa ein Viertel des eines tariflichen, monatlichen Durchschnittslohns eines Angestellten oder Arbeiters beträgt, sind die Konsumenten bereit, sich auf die vermeintlichen Schnäppchen zu stürzen, als sei ein Notstand ausgebrochen.

Bei offiziell 3,43 Millionen Arbeitslosen laut dem Statistischen Bundesamt verwundert es nicht, dass es auch einen Markt für Verbraucher gibt, die Produkte auf der Basis von Ratenzahlungen erwerben. Die Ratenzahlung, also die Zahlung per Kredit ist in großen Unternehmen gang und gäbe. Meist ist sie im Endergebnis teurer als der Barkauf. Doch, um den Konsumenten auch diese Entscheidung zu erleichtern, läuft die Anwicklung des Einkaufs per Kredit vergleichsweise unbürokratisch ab. Bei vorausschauender Betrachtung würde man davon absehen; denn einmal vertraglich abgewickelte Kredite, die man nicht tilgen kann, führen den Verbraucher in eine Schuldenfalle. Es fallen Zinsen an, die nach Jahren den Schuldensatz um einen meist zweistelligen Prozentsatz erhöhen.

Trotz der auch jährlich anwachsenden Privatinsolvenzen schreckt das die Konsumenten nicht ab. Auch nicht die Controlling-Center der Unternehmen, die im Insolvenzfall mit einem sogenannten Null-Geschäft rechnen müssen, also damit, dass der Kunde seine Schulden nicht begleicht.

Der Kunde hat die Möglichkeit eine Verkaufsentscheidung abzuwägen. Diverse Internetseiten bieten die Möglichkeit des Preisvergleichs an. In Foren kann man sich Bewertungen über Produkte anschauen. Wissen ist Macht?

Mittlerweile gibt es so viele Angebote und so kurze Abstände von Produktlaunches, also Produkteinführungen, dass der Kunde schlicht und einfach immer der Aktualität der gerade gewonnenen Information hinterherhinkt.

Hinzu kommen Berichte über das Preis-Leistungsverhältnis von Konsumgütern, die sich zum Teil widersprechen oder die korrigiert werden. Ist ein Bioprodukt für unsere Gesundheit unabdingbar? Sollen wir lieber mehr zahlen, um gesünder zu leben? Angesichts sich wiederholender Reportagen über „Gammelfleisch“ wird der Konsument zu solchen Fragen forciert. Ähnliches erleben wir mit dem Aufruf, der an uns Alle gerichtet ist, dass wir Produkte verwenden sollen, die schadstoffarm sind. Aber, wer kann sich einen „schadstoffarmen“ PkW leisten? Und wer kann sich die Steuerlast eines PkW’s leisten, der ein hohes Maß an Schadstoffen ausstößt?
Es werden in einer schier unübersichtlichen Zahl Multimediaprodukte auf den Markt geworfen, kostenaufwendig mit Ausstellungen und Werbung auf allen Ebenen präsentiert und: Gekauft!

Brauchen das die jeweiligen Konsumenten wirklich? Und für was? Für Kommunikation und Information? Für ihre Sicherheit? Oder für ihre Psyche? Die Industrie kennt die Antwort längst.

Die Bedürfnisse für die Produkte, die in ihrem Ursprungswert sehr gering sind, werden zu Preisen angeboten, die den Unternehmen eine vergleichsweise immense Rendite einbringen. Dem Kunden aber wird suggeriert, dass, wenn er sich beeilt, er dieses Produkt zu einem „supergünstigen Preis“ erhält. Der Kunde glaubt es und kauft.

Hier noch ein paar Fakten zur wirtschaftlichen Situation in unserem Land, entnommen aus Daten des statistischen Bundesamtes:

Arbeitsmarkstatistik:

Nach Ergebnissen der Arbeitsmarktstatistik nach dem Konzept der internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Konzept) gab es im Durchschnitt des Jahres 2006 39,0 Millionen Erwerbstätige mit Wohnsitz in Deutschland. Das waren 257 000 Personen oder 0,7 % mehr als ein Jahr zuvor, nachdem im Jahr 2005 die Beschäftigung noch um 0,1 % im Vorjahresvergleich zurückgegangen war. Gleichzeitig waren in Deutschland im Jahr 2006 durchschnittlich 3,43 Millionen Personen erwerbslos, 461 000 (11,8 %) weniger als im Jahresdurchschnitt 2005.


Im 2. Quartal 2007 lag die Arbeitslosigkeit bei 3 825 000. Gegenüber dem Vorjahresquartal wurden im 2. Quartal 751 000 oder 16% weniger Arbeitslose gezählt, nach -793 000 im 1. Quartal und -535 000 im 4. Quartal 2006.


Insolvenzen:

Es werden monatlich bundesweit durchschnittlich etwa 13.500 Insolvenzen durchgeführt. Die Anteile sind wie folgt im Durchschnitt verteilt: Etwa 2.400 Insolvenzen von großen Unternehmen, 8.500 Insolvenzen von Verbrauchern, 2.250 von ehemals selbständig Tätigen und etwa 380 Privatinsolvenzen monatlich von sogenannten „natürlichen Personen“.

Signifikant für das Steigen der Preise in puncto Lebenshaltungskosten ist die Statistik der Butter: Seit Januar 2005 haben wir einen 7-fachen Preisanstieg. (Quelle: destatis.de)

Um das Kaufverhalten, Consumer Behaviour, zu analysieren, wurden Payback- Karten eingeführt. „Pay Back“ signalisiert dem Kunden, dass er, wenn er Etwas konsumiert, zur Belohnung Etwas dafür als Geschenk erhält. In Wirklichkeit aber wird er beobachtet. Sein Verhalten wird analysiert und neue Strategien werden entwickelt, um sein Kaufverhalten zu manipulieren.
Dies drückt „Wikipedia“ folgendermaßen aus: „Die gespeicherten Daten werden zur Erstellung von Kundenprofilen genutzt und im Rahmen des Kundenbeziehungsmanagements zur Kommunikation mit dem Kunden und zur Anpassung des Leistungsangebots verwendet.“
Im Endeffekt wird der Kunde einem System angepasst und fremdbestimmt. Das merkt nicht einmal ein Kunde, der einen anderen Kunden körperlich attackiert, um an das begehrte Produkt zu gelangen.
Eine falsche Siegermentalität führt zu einem derartig letztlich fremdbestimmten Verhalten. Also doch „Konsumterror“ im üblichen Sinne?
Gegen eine Politik der Fremdbestimmung hilft nur Eines: Nicht in einen künstlich geschaffenen Wettbewerb zu begeben, um so einem Strudel von Verpflichtungen zu entgehen, der Einem über den Kopf wächst und von dem Andere profitieren.


Gisela B. Laux

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