Juli

19

2007

Tour de France in Sturzfahrt - Wettbewerb von Sport und schnellen "Konsequenzen" - ein Kommentar von Gisela B. Laux


Foto: die laux. Ratinger Radrennen 2005, parallel zur damaligen Tour de France. Im rosa Trikot: Erik Zabel

In meinen vorerst letzten Urlaub habe eine Tour durch die Benelux Länder gemacht und allen Ernstes nicht bedacht, dass just zu dieser Zeit die Tour de France ihr Fahr-Dich-Ein begab. Das war im Jahr 2001. Wohl dem, der da ein Hotelzimmer sucht. Ein Parallelabenteuer der ganz anderen Art neben einem so populären, sportlichen Ereignis.

Ein weiteres Abenteuer, ja ein Hot-Spot-Krimi ist das Thema Doping.

Bei der Recherche nach der Beantwortung der klassischen journalisten W-Fragen: Wer? Was? Wann? Wo? Warum? taucht man ein in einen tiefen Sumpf. Die Fakten summieren sich.

Namen wie Jan Ullrich, Erik Zabel, Jörk Jaschke und nun Patrik Sinkewitz geben sich die Klinke. Das sind die Namen der Sportler, über die oder von denen wir – mehr oder weniger dramatisch inszeniert – erfahren: Da war Doping im Rennen. Ganz weit vorne. Da wird sogar mit dem Hormon agiert, dessen Wirkung uns Frauen, wenn der Mann es zu beherrschen weiß, zu Wachs schmilzen lässt.

Wann ist der Mann ein Mann? Wann ist der Sportler ein Sportler? Wann erfüllt ein Sportarzt seinen Job und nichts als seinen Job? Wann ist ein Sponsor ein Sponsor?

Und welche Rollen spielen überhaupt neben dem Sport, der zu Nebensache wird, die Triade Politik – Wirtschaft – Medien? Ja, wo man kann man da die Interessen noch trennen.

Den jüngsten Nachrichten zufolge – und ich bin heute wirklich früh aufgestanden – kann man das nicht wirklich trennen. Da gibt es Zusammenhänge. Von eindeutigen Zusammenhängen wage ich indess nicht zu sprechen. Statt mich weiter Spekulationen und Verdachten, basierend auf Ereignisse und Fakten in der jüngeren Vergangenheit hinzugeben, seien hier die aktuellen Fakten in einer Chronik zusammengefasst:
Der 65-jährige Belgier, von 1992 bis 1996 Masseur und Dopingaktivist bei Telekom, erschütterte Anfang Mai mit der Veröffentlichung über das Dopingsystem der neunziger Jahre auch Stapletons Equipe. Denn sein Sportchef Rolf Aldag hat später einräumen müssen, als Profi ein Detail des flächendeckenden Betrugs bei Telekom gewesen zu sein; auch die Teamärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmidt mussten gestehen, das System versorgt zu haben. Nach einer privaten Begegnung sind sich der französische Radrennstall Francaise des Jeux, sein Pfleger D’hont und Amerikaner Bob Stapleton einig: ,,Alles erzählen, alles zugeben‘‘, hört man D’hont sagen, ,,das ist das Beste.‘‘

Sie sind längst suspendiert, und Stapleton, 49, der Milliardär und neue Besitzer des Nachfolgeteams. Das Engagement Freiburger Uniklinik, aus deren Ärzteteam sich die medizinischen Tor-de- France- Betreuer rekrutierten, wurde gekündigt.
Der Nürnberger Radprofi Matthias Kessler wurde von seinem Team Astana wegen Dopings „mit sofortiger Wirkung“ entlassen. Ihm droht eine zweijährige Sperre. Der 28- Jährige war bei einer unangemeldeten Trainingskontrolle vor seinem Kollegen La Flèche Wallone Ende April mit einem extrem überhöhten Testosteron Wert aufgefallen.

„Mit leiser und stockender Stimme“ verkündet vor einer weißen Wand ohne Sponsorembleme Erik Zabel, dass er gedopt wurde und gesteht somit „den größten Fehler seines Lebens“ ein. Er will künftig ein besseres Vorbild für seinen Sohn sein.

Und nun das: Patrick Sinkewitz stürzt während eines Rennes und verletzt sich sehr schwer und einen Zuschauer. Nach dem Entsetzen folgt dieses: Am 18.07.2007 ist der T-Mobile Profi Patrik Sinkewitz ist bei einer Trainingskontrolle der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) am 8. Juni positiv auf das Wachstumshormon Testosteron getestet worden. Das bestätigte am Mittwoch der Bonner Profi-Radrennstall T-Mobile Team.

Es wird nun brisant, da politisch:

Die Bundesregierung fordert die Telekom auf, als Tour-de-France-Sponsor auszusteigen. Oder war es eine Entscheidung der Telecom? Nach dem Massenkündigungskandal und dem Eigentor, dass sich die Telekom mit ihrem scheinbaren Call&Surf Comfort Tarif- „Angebot“ (das in Wirklichkeit kein Angebot, sondern Nepp ist) geschossen hat, droht dem Unternehmen ein weiterer Imageschaden. Den wiederum werden die Mitarbeiter mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze und die Kunden mit schlechtem Kundendienst bezahlen.

Die öffentlich-rechtlichen Senden ARD und ZDF sind aus der Berichterstattung der Tour de France ausgestiegen.

Wie diese Zusammenfassung zeigt, kann man sich trotzdem über die Tour-De-France informieren. Dieses leicht inoffizielle Heranholen von Informationen verleiht diesem Sportereignis einen ganz neuen Touch und spaltet die Interessierten in zwei Gruppen:

Die Einen ignorieren die Doping-Affären und das „ganze Drumherum“ und die Anderen interessieren sich für die Fortsetzung des Real-Krimis, der bereits in die Serienproduktion immer weiterer Nachrichten gegangen ist.

Eines bleibt. Die Tour de France bleibt spannend. Sie ist aber auch für die wirklichen Opfer tragisch. Und die Täter inszenieren sich als Opfer und schwärzen sich gegenseitig an.

Gisela B. Laux
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