Juni

03

2007

Heiligendamm: Bitteres Zeichen der Zeit

Ich hatte große Scheu, mich in hier über „Heiligendamm“, wo der aktuelle G8-Gipfel stattfindet, zu äußern. Heiligendamm ist schon zu einem Begriff geworden, bevor der Gipfel begonnen hat, weil zahlreiche Diskussion über die Vorbereitungen gegen G8-Gegner in allen Medien, auf der Straße, in den Cafés und Restaurants, den Universitäten, im Internet, also einfach überall stattfanden.

Die Frage ist für mich gewesen und ist es noch: wie kann man Menschen, die sich friedlich verhalten, vor Gewalttätern schützen? Ist das die einzige Frage? Werde ich diesem komplexen Thema gerecht?

Gestern Abend sah ich die Bilder von Rostock. Gewalt beherrschte die Bilder. Und Angst.

Ich werde Gewalt niemals verstehen, niemals auch nur den Funken einer Sinnhaftigkeit darin erkennen. Täter werden zu Opfern. Und das müsste den Tätern schon eingeben, von Gewalttaten abzusehen, sie nicht einmal in Erwägung zu ziehen. Bei Gewaltakten, werden aber nicht nur Täter zu Opfern, was nicht zwangsläufig ist, womit man aber als Täter rechnen muss, sondern Unschuldige. Vollkommen Unschuldige.

Am meisten hat mich gestern Abend entsetzt, wie Polizisten Kinder von ihren Eltern, die friedlichen Demonstranten oder Passanten waren, getrennt haben, um diese vor Gewalttätigen zu schützen. In der Kürze der Zeit und der – wie es den Kindern und Eltern vorkommen musste – Überhastetheit der Trennung, werden die Betroffenen nicht verstanden haben können, warum sie voneinander getrennt wurden. Mit anderen Worten: Die Kinder wurden irgendwohin gebracht, ohne zu wissen, wann und wie sie ihre Eltern wiedersehen. Und die Eltern konnten das auch nicht einschätzen. Grausam.

„Heiligendamm“ wird - wie der „Münchener Kessel“ – zum Synonym für den G8-Gipfel werden. In München sah man Bilder von umzingelten Demonstranten, von zu Boden Gezerrten. Schlagstöcke, riesige Helme von Polizisten, durch die man deren aggressiven, entschlossenen, aber auch ängstlichen Augen nicht sehen konnte.

Ich werde auch die Bilder der gewalttätigen G8-Gegner von gestern nicht vergessen und nicht die Bilder von friedlichen Demonstranten, die ostentativ die Arme erhoben, um zum Einen zu zeigen, dass sie unbewaffnet sind und zum Anderen die Gewalttäter („Autonome“) dazu animieren wollten, von ihrer Gewalt abzulassen.

Auch werde ich nicht vergessen, wie ein NPD Aufmarsch durchs Brandenburger Tor ging. Symbolträchtig, stupide, vor allem völlig geschmacklos zugleich. Er war verboten. Offenbar hatte die Staatsmacht aber in dem Moment die größte Sorge, es könnte eskalieren, weil Linksradikale gegen die Nazis aufmarschieren könnten. Eine schizophrene Form der Weitsicht, ist es doch schlimm genug, dass Nazis unbehelligt ihre theatralischen und gewollt angsterzeugenden Szenarien durchführen können.

Dieser G8 Gipfel ist in sich gescheitert. Er findet örtlich in einem Land statt, das selbst Kriegsschauplätze schafft. Innerhalb des eigenen Landes, zeitlich und örtlich so nahe am Ort des Gipfeltreffens selbst, wie es nur sein kann.


Der G8 Gipfel soll sich zwei Hauptproblemen widmen: Der Armut und der Zerstörung der Natur durch menschliche Handhabung, „Klimawandel“ genannt.

Statt verharmlosender Worte für existenzvernichtende Mechanismen, muss eine Einsicht stattfinden. Gnadenloser Egoismus und Gier hinterlassen irgendwann Verwüstung.
Für die Überlebenden sollte das schlimmste Bild sein, diese Verwüstung zu überleben. In Armut, Einsamkeit und Gesellschaft mit anderen Überlebenden, die ebenso destruktiv sind, wie man selbst.

Wenn wir nicht mit der Gewalt innehalten, werden wir uns am Ende selbst zerstören.

Gisela B. Laux
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