Wahlentscheidungen reflektieren? Die Laux rät: S-Bahn fahren!

Nein, das hat jetzt nichts mit dem Streik der Lokführer zu tun. Dem ich übrigens Respekt zolle. Im Sinne der lateinischen Urbedeutung: respicere: zurückblicken, sich umblicken.

Es wird demonstriert, ob für höhere Löhne oder die Abschaffung von „Hartz IV“. Zeit wird’s!

Es wird gewählt.

Es wird gewartet, welche Koalitions-Konstellationen aufgestellt werden.

Es wird geredet.

Es wird spekuliert.

Es wird gelobt.

Es wird gelacht.

Es wird geseufzt.

Okay, das Alles kann man beim S-Bahn fahren hören. Ich fuhr letztens in der S6 von Essen Richtung Köln Nippes. Als gebürtige Rheinland-Pfälzerin und Ex-Wahlmünchenerin sind für mich Kölner immer noch Aliens. Das Dialekt, die Kommunikationsfreude, das extrem laute Lachen und immer wieder dieses Sich-Umgucken, ob auch alle Einem zugehört haben, diese respicere, das ist so was von Kölsch!

Zwei Herren so Mitte, Ende 50 stiegen ein. Wie es geht. „Jot, wat sonst!“ Klar, es geht immer gut. Es waren zwei gepflegte Herren, der eine etwas legerer als der andere gekleidet. Sportlich trifft konventionell. Und gelangt nach zum Thema Frau Ypsilanti. Die in der Sendung „Panorama“ in der letzten Donnerstagsausgabe als das Beispiel für Verlogenheit von Politikern schlechthin dargestellt wurde.

Was ist das nur mit unseren weiblichen Politikerinnen? Ich frage das mal so, bevor ich zu unseren 1. Klasse S-Bahn Kölner zurückblicke (respicere…).

Frau Merkel frühstückte mit Stoiber und sagte ihm zu, nicht zu kandidieren. Und wurde die erste Bundeskanzlerin.

Frau Pauli wühlte die CSU mit so allerlei Irritationen auf: Mit ihrer Attraktivität. Mit ihrem Auftritt in einem Magazin in Fetischklamotten. Mit Ihrer Wehrhaftigkeit gegen die alten Zöpfe der CSU. Und mit Ihrem Vorschlag, den sie von einem Kabarettisten aufgriff, Ehen nach 7 Jahren für beendet zu erklären.

Und jetzt Frau Ypsilanti. Wer kannte sie denn jenseits Hessens? Mit Ihrem verfrühten Siegerjubel vor Ende der Wählerstimmenauszählung glich sie für ein paar Augenblicke dem Stoiber, der dereinst alkoholgeschwängert rief: „Wir haben die Wahl gewonnen!“

Ich wachte gerade vom Sofa auf. Just, als Stoiber dies rief. Ich werde oft müde, wenn spannend wird. Auch bei Alfred Hitchcock’s „Die Vögel“ schlafe ich immer ein. Ich kenne den Film gar nicht vollständig.
Zurück zu der Szene mit den Kölnern:

Einen, den sportlich gekleideten hatte ich im Blickfeld. Den mit dem dunkelblauen Mantel und dem viel zu strack gekämmten Haar sah ich nur von dessen Rückenansicht.

Nett: „Rückenansichten“, das wäre mal eine Rubrik. (Da habe ich jetzt Copyright darauf!)

Jedenfalls sei es doch ganz okay, dass die Schwarzen und die Grünen in Hamburg jetzt koalieren. Man müsse doch sowieso Kompromisse eingehen. Der Sportliche lobte Ypsilantis Entscheidung und lachte. Ein mutiger Schachzug sei dies gewesen. Aber klar: Völlig voraussehbar.

Und dann kam man von „Hölzjen auf Stökksjen“. Und war thematisch wieder beim Sommertraum. Ja, da habe man geweint. Das war doch schön. Deutschland Weltmeister.

Deutschland Weltmeister? Im Sommer? Die männliche Mannschaft wurde doch gar nicht Weltmeister.

Ja, aber später die Frauen.

Was wir Frauen in diesem Land noch alles bewegen werden – ja, liebe Kölner, ich kenne den „Witz“ mit der Frauenbewegung“ – das ist doch echt spannend.

Ups. Ich werde wieder müde. Immer wenn’s spannend wird. Und in der S-Bahn. Wenn die Fahrt länger dauert, die Sonne mich blendet und ich die Augen schließe und meine Gedanken abschweifen lasse.

Wenn ich dann aufwache, ist entweder wieder etwas passiert, oder es jubelt einer zu früh oder mir kommt ein Gedanke…

I keep you informed. LeserInnen, meine Augen sind auf Euch gerichtet. Wo immer ich bin.

She’s looking @ U, kids! Sagt wer? Na,

die laux

P.S. Und natürlich haben S-Bahn Unterhaltungen keinen Nachrichtenwert. Aber sie zeigen, was die Rezipienten von Nachrichten für sich herausfiltern. Das sollte uns Journalisten daran erinnern, dass wir verpflichtet sind, objektiv zu sein. Ja, so schwer es auch in dieser hochkommerziellen Zeit ist. Gerade dann! Sonst glaubt uns auch keiner mehr Etwas!

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