20:34h MEZ: Hoffentlich keine Gaukelei: Joachim Gauck wird neuer Bundespräsident

Um 20:34 h MEZ meldet Phoenix, der Nachrichtensender von ARD und ZDF, dass die CDU den ehemaligen evangelischen Pastor und DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck, geboren am 24. Januar 1940 in Rostock als den 11. Bundespräsidenten akzeptieren würde.

Hoffentlich ein verspätetes „Geschenk“ zum 72. Geburtstag des ehemaligen Konkurrenten von Christian Wulff, das Gauck mit Würde, Engagement und Leidenschaft entgegennimmt.

Die Voraussetzungen sind gut: Joachim Gauck, der sich selbst politisch als

linken, liberalen Konservativen

und

aufgeklärten Patrioten

verortet, hat bereits eine Vita voller Facetten: Als Pastor, Journalist, Publizist, Bürgerrechtler, ausgezeichnet mit zahlreichen Ehrenpreisen.

Er ist Sohn von Eltern, die beide Mitglied der NSDAP waren. Das liegt naturgemäß außerhalb seines Einflusses. Ein Zitat:

Mein Weg zur Theologie war in der DDR nicht ungewöhnlich. Vor und nach mir haben sich viele aus ähnlichen Motiven für diesen Beruf entschieden – was das starke Engagement vieler Pastoren beim politischen Aufbau 1989 erklärt. […] Anders als die elterliche oder die staatliche Autorität bot der Glaube die Möglichkeit, sich einer Wahrheit anzuvertrauen, die von niemandem befohlen und von niemandem genommen werden konnte. Er vermittelte eine geheimnisvolle Kraft, die uns befähigte, den Minderheitenstatus durchzuhalten, mutig zu bleiben, wo andere sich schon angepasst hatten, und Anständigkeit, Treue und Glauben für wichtiger zu halten als Wohlstand, Karriere oder öffentlichen Erfolg

Nach ihm ist die Gauck-Akte benannt. Eine Akte der Stasi („Staatssicherheit“ der DDR), die Niederschrift der Bespitzelungen von Hunderttausenden von DDR BürgerInnen.

Ein Zitat von Gauck, Quelle: http://www.n-tv.de/politik/Menschen-sind-bereit-zur-Vergebung-article5037816.html

… das werde ich nicht vergessen. Die Akteneinsicht war damals noch nicht so perfektioniert wie heute. Wir arbeiteten auf der Grundlage einer verbindlichen Benutzerordnung, ein Stasi-Unterlagen-Gesetz gab es noch nicht. Wir luden etwa 15 Menschen ein, darunter bekannte aber auch unbekannte Stasi-Opfer. Die Presse war auch zugelassen, denn wir wollten die Botschaft verbreiten: „Schaut, die Behörde arbeitet, Eure Wünsche wurden umgesetzt.“ Der Ansturm auf die Antragsformulare war enorm. Wir druckten etwa 20.000 Stück, aber die waren an einem Tag vergriffen. Berliner Tageszeitungen druckten das Formular nach, damit weitere Menschen ihren Antrag auf Akteneinsicht stellen konnten. Die Aufmerksamkeit war unglaublich groß. Wie die Menschen dann auf die Unterlagen reagierten, war bewegend. Dass die Stasi Menschen- und Bürgerrechte verletzte, war jedem klar. Wichtiger waren die Einzelheiten. Vera Lengsfeld etwa las, wie konkret ihr Ehemann jahrelang die Stasi informiert hatte. Manche erfuhren von bodenlosen Erniedrigungen. Andere versuchten, sich ihre Emotionen vom Hals zu halten. Bärbel Bohley etwa musste teilweise lachen, etwa wenn die Inoffiziellen Stasi-Mitarbeiter die Grammatik nicht beherrschten oder dummes Zeug schrieben. Diese tiefe Verletzung der Privatsphäre durch die Staatssicherheit kann man nur aus der Arroganz der Macht erklären.

Gauck ist ein Mensch mit klaren Positionen. So hat er auch Theo Sarrazin unterstützt, als dieser sein fremdenfeindliches Buch „Deutschland schafft sich ab“ veröffentlicht hatte.

Wikipedia:

Er befürwortete eine Debatte um mehr plebiszitäre Elemente auf Bundesebene und um die Direktwahl des Bundespräsidenten. Thilo Sarrazin bescheinigte er für seine Publikation „Deutschland schafft sich ab“ den Mut, über ein bestehendes gesellschaftliches Problem offener gesprochen zu haben als die Politik, und äußerte sich kritisch zu einem möglichen Parteiausschluss Sarrazins aus der SPD.

Gleichzeitig ist er als

Vertreter Deutschlands ehrenamtliches Mitglied des Verwaltungsrates der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Wien

und gehört zu den Referenten des christlich-konservativen Studienzentrums Weikersheim.

Bundeskanzlerin Merkel nimmt er in Schutz, wenn es um Ihre Funktion in der FDJ geht. Das sei „Pipifax“ gewesen.
Außerdem äußerte er:

…beurteilen Sie Frau Merkel eher nach ihrem politischen Handeln. Gemessen am Ideal sieht sie alt aus, aber gemessen an ihren europäischen Mitbewerbern, bekommt sie gleich ganz anderes Format.

Quelle: http://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/Gauck-Merkels-FDJ-Position-war-Pipifax;art742,6496119

Frau Merkel setzte heute die Nominierung Gaucks gegen ihre eigenen Reihen durch.

Joachim Gauck. Ein Mann, der immer wieder überrascht und daher aus vielen Richtungen nicht nur Kritik erntete, sondern auch Sympathien gewonnen hat. Er mit noch viel mehr Seiten als die hier Dargestellten, aber glasklare Statements. Daher wird er es sich nicht leisten wollen, sich für irgendetwas mit stammelnden Worten rechtfertigen zu müssen.

Warten wir ab, ob er ins Amt und was dann auf uns in den nächsten 5 Jahren – auch das wird sich zeigen – zukommt. Die Theodor-Heuss-Medaille hat er bereits 1991 erhalten. 2010 den Geschwister-Scholl-Preis.

Ob er

der Demokratie neuen Glanz verleiht

wie sich in der Pressekonferenz Claudia Roth ausdrückte, werden wir sehen. Nötig ist es, dass wir das Alle gemeinsam tun.

So „auf die Schnelle“ lässt sich schon jetzt nicht über den parteilosen Joachim Gauck schreiben. Möglicher Weise ist das ein gutes Zeichen. Joachim Gauck: Ein Markenzeichen?

Bald werden wir nicht mehr spekulieren müssen.

Copyright Gisela B. Laux 2012

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