Walle und Eve: Die Realität ist einem SciFi in der Zeit voraus

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Foto: Gisela B. laux alias die laux

In der Walt Disney Produktion erleben Kinder wie Erwachsene, wie das Leben nach dem Leben auf der Erde, die völlig vermüllt ist durch ein faschistoides System im All abgelöst wird.

Axiom heißt das Raumschiff, in dem die Menschen leben: Sie müssen sich nicht mehr bewegen, nicht mehr arbeiten, können selbst keine Kinder mehr zeugen und werden fett. Sie schweben auf Sesseln, vor ihnen ein Multimediabildschirm, immer wieder Durchsagen vom „System“. Ein Commander, selbst fett, leitet das Schiff, und wie sich herausstellt ist auch seine Autorität nur Schein.

Doch bereits am Anfang des Films sehen wir aus der Vogelperspektive ein New York, werden der Stadt durch einen Zoom näher gebracht, wir werden immer gespannter und sehen: New York ist leblos. Kein Mensch, kein Tier, keine Pflanze.

Dann taucht „Walle“ auf, ein solarbetriebener Roboter, dessen Existenz dazu bestimmt ist, zu entmüllen. Die Überreste von Schrott in kleine Würfel zu pressen. Er ist nicht alleine: Eine Kakerlake, wie man weiß eine äußerst (über-)lebensfähige Spezies, mehr als es wir Menschen sind, ist sein Gefährte.

Mit einer schier rührenden Naivität entdeckt er immer wieder Dinge im Schrott, die er in einem Container ordentlich sammelt. Hinweise auf menschliches Leben. Werkzeuge, Spielzeug usw. Immer wieder, wenn es draußen stürmt, rettet er sich mit der Kakerlake, die er regelmäßig mit seinen Beinen, die Planierraupen sind überrollt – was sie ebenfalls immer wieder überlebt – in seinen Container und eluminiert die Lichterkette. Eine Kassette mit einem amerikanischen Kitschfilm eines singenden und tanzenden Liebespaares lassen beim Zuschauer Assoziationen nach Weihnachten und bei Walle Sehnsüchte unerdeckter Art aufkommen.

Bis er eines Tages einem grünen Lichtpunkt folgt, zu dem sich immer mehr gesellen. Sie sind die Ausläufer eines gigantischen Raumschiffes aus dem ein weiblicher Roboter, ganz in weiß, ganz ästhetisch aussteigt. Es ist Eve, in die sich Walle unversehens verliebt. Als er wieder vor seinem Fernseher den Liebesfilm sieht, spürt er, wonach er Sehnsucht hatte. Eve ist ihm nach einigen anfänglichen Missverständnissen – sie hat ungeheure Power und schießt mit militärischer Gewalt auf Alles, was sie nicht sofort erfassen kann oder ihr suspekt ist – in seinen Container gefolgt. Walle will ihre Hand ergreifen, doch – ganz Dame – verschließt sie sich ihm.

Ein neues Symbol taucht auf, dass den Film in eine ganz neue Richtung drängt: Walle entdeckt im New Yorker Schutt eine Pflanze und behütet sie. Hinweis auf Leben!

Dann, ein weiterer Schritt zur Wende: Eve nimmt die Pflanze an sich, wird apathisch und wird von dem Raumschiff, das sie auf die Erde brachte, wieder abgeholt und zum Planeten Axiom (es lohnt sich, unter Wikipedia nachzuschauen, was ein Axiom alles sein kann. Es gibt drei Möglichkeiten!) entführt. Gerade noch kann sich Walle an einer Außenleiter des Raumschiffes klammern und rast ins All zur Axiom, dem neuen Planeten der zwangsexilierten bzw. verführten Menschen, die blind auf eine bessere Zukunft im All vertrauten.

Die Pflanze ist der Beweis, dass Leben auf der Erde wieder möglich ist. Das weiß der Commander und den Bewohnern von Axiom wurde dies auch in einem Einspieler suggeriert, der mehr als nur ein Synonym auf das republikanisch geführte US Regime ist. Mehr als nur eine leise Anspielung. Die Menschen sind träge geworden und sehnen sich nicht nach der Erde. Zudem sind 700 Jahre seit der Zwangsevakuierung (auch eine Möglichkeit der Interpretation) vergangen. Der Commander befragt das System nach der Erde erhält Bilder, unter Anderem Ähnliche wie das obige und möchte die Rückkehr zur Erde auslösen. Conditio sine qua non ist dabei der Beweis für Leben auf der Erde. Die Pflanze. Er hat sie von Walle erhalten und will die Menschen laut den Anweisungen eines Bord-Handbuches erlösen. Doch er wird dabei vom System unterbrochen.

Es gibt eine Wahrheit, von der selbst er als Commander nichts wusste: Die Erde soll nie wieder bewohnt werden.

In einem weiteren Einspieler sieht, er wie der selbe Mann, der die Erlösung der Menschen, die Rückkehr zur Erde versprach: Es darf kein Zurück geben!

Der Commander denkt für einen Augenblick der Verzweiflung an „Meuterei“, um dann durch das System aufgeklärt zu werden, dass er nicht zu melden hat.

Ein inhaltlicher Sprung zum Ende des Films:

Es gelingt dem Commander, das repressive und aggressive System mit Hilfe von Walle und Eve zu überlisten. Er steht als erster Mensch auf und bewegt sich. Die anderen Menschen sehen ihn so auf dem Monitor und tuen es ihm gleich. Walle erleidet schwere Verletzungen bis zur Unkenntlichkeit.

Sie kehren zur Erde zurück und machen sie wieder urbar. Und eine neue, vitale Zivilisation ensteht.

Eve rettet Walle, indem sie ihn mit seinen Ersatzteilen a dem Container wieder herstellt. Sie erhört Walles Liebe und er gewinnt sein Erinnerungsvermögen, zuvor Teil seiner starken Blessuren. Sie werden ein Liebesroboterpaar.

Fazit:

Die Kinder im Publikum des Kinos ließen ihren Emotionen und Ahnungen freien Lauf und haben sehr viel verstanden. Besonders viel von Technik. Von Gut und Böse. Und Freundschaft. Sie haben sich mit Walle und Eve identifiziert. (Überflüssig, zu erwähnen, dass man die beiden Figuren bereits mit allem technischen Schnick-Schnack käuflich erwerben kann. Für „schlappe“ 49,99 Euro!)

Ich als Erwachsene hingegen habe mich mit den Menschen von Axiom identifiziert.

Angesichts der sogenannten „Bankenkrise“ und der „Rettungspakete“ ist meinem Eindruck nach die Realität der Fiktion des Films in bedrückender Weise in ihrer Zeit voraus.

Letzten Endes handelt es sich hier um eine US Produktion, was den Film von der politischen Aussage her sehr spannend macht. Ein Amerika zerstört sich selbst. Oder wird es zerstört? Mehr durch die Vermüllung, die die Menschen verursachen. Oder ist das Bestrebens der völligen „Entsorgung“ durch ein staatliches Unternehmen nicht eindeutig in Wahrheit ein Vorwand, oder genauer gesagt: eine Bevormundung, die zur Evakuierung und zur völligen Kontrolle über die Menschen führt? Wir sehen auf Axiom die amerikanische Flagge. Ist New York das einzig denkbare Synonym für die Erde? Oder das Symbol für eine sich selbst zerstörende Zivilisation?

Gisela B. Laux

P.S. Ein bißchen Ökobotschaft mit der Solarenergie des Protagonisten Walle und ein bißchen Gesundheitspolitik mit den adipösen (fettleibigen) Ex-Erdbewohnern ist auch dabei.

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