Freispruch für Jörg Kachelmann – Was bedeutet dieser für die Medienberichterstattung und für den Rechtsstaat?



Kurz vor der Urteilsverkündung

9.17 h
Laut Prof. Alexander Ignor, ein Strafrechtler, der Fragen im Sender N24 beantwortet, gibt es keinen Freispruch II. Klasse mehr, also den „aus Mangel an Beweisen“. Das bedeutet aber auch, Freispruch, und es ist nicht erwiesen, dass Kachelmann unschuldig ist.

Diese „juristische Wahrheit“ entscheide nicht über die „Reputation“ von Jörg Kachelmann.

Der Wettermoderator und das mutmaßliche Opfer Sabine W. seien beide „Verlierer“, so der Moderator der Sendung. Für den Rechtsstaat und den Verteidiger Kachelmanns sei das Ergebnis als positiv zu bewerten.

Seit beinahe einem Jahr muss sich Sabine W. anhören, sie sei „ein mutmaßliches Opfer“ und Jörg Kachelmann ein „vermeintlicher Täter“. Was das für einen Menschen bedeutet, der, und das ist nicht zu 100% widerlegt, vergewaltigt wurde, sollte man sich mal vor Augen halten.

An diesem regnerischen Dienstag wollen die Medien überwiegend die Wolken über Jörg Kachelmanns Karriere sehen. In N24 wird sogar gefragt, ob Kachelmann nun den Tatvorwurf, die Inhaftierung und die Verhandlungen samt seinem Umgang mit Frauen vermarkten möchte.

Dass die Nebenklägerin rundum gelitten haben muss, ob der Tat, welches faktische Ausmaß sie auch immer hatte, wird viel zu sehr außen vorgelassen. Freispruch heißt nicht, dass Kachelmann unschuldig ist.

Wenn Kachelmann nun ein Medienheld wird, vom flapsigen Wetterplapperer mit Schmuddelmähne zum durchtriebenen Frauenheld, wegen dem sich eine Frau wegen des vergeblichen Vergewaltigungsvorwurfs angeblich lächerlich gemacht hat, wird das Auswirkungen für unser Rechtssystem, zumindest im Bezug auf Vergewaltigungsprozesse haben.

Frauen sollten sich dennoch nicht davon einschüchtern lassen und Männer sich nicht zu sicher fühlen, dass sie sich einfach an Frauen verdingen können, wie es ihnen beliebt.

Es gibt auch zu viele Frauen, die erfahren haben, zu was Männer in der Lage sind. Und die werden dem Mitleidsgedusel, dass um Kachelmann medial betrieben wird, leider mehr als ausreichend entgegenzusetzen haben.

Schwierig ist es auch, dass der Grundsatz „in dubio pro reo“ nun zu Tode geritten wird.

Schon wieder äußert Ignor, der Rechtsstaat habe gewonnen, weil er nach „sachlicher Überprüfung“ zu einem Ergebnis gekommen sei. Die Gegenseite würde, so sagt er lächelnd, sich „das Haar in der Suppe suchen“.

„Recht haben und Recht bekommen sind zweierlei“. Eine Erkenntnis, die bereits zu einem zynischen Ausspruch geworden ist.

Den Urteilsspruch zu Kachelmann und das trojanische Pferd Medienmanipulation sollten wir uns gründlich, heißt: kritisch durch den Kopf gehen lassen.

Indess prüft die Staatsanwaltschaft noch die Revision.

Gisela B. Laux
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