Warum gibt es Reiche, wozu Luxus? – Ein Brainstorm


Foto: Gisela B. Laux. Nur gucken, nicht anfassen!

Geht in Düsseldorf durch die Schadow Arkaden oder über die KÖ oder ins Meilenwerk an der Automeile – ach es gäbe noch so viel mehr aufzuzählen – fragt man sich, wozu es diesen ganzen Luxus gibt. Und wozu sind die Konsumenten der Luxusgüter hinsichtlich einer Gesamtgesellschaft eigentlich gut. Was tragen Sie zum Gemeinwohl bei?

Wozu braucht man Schokoladentrüffel in Sektflaschen?

Diese Frage könnte das pars pro toto für alles sein, was vielleicht ganz hüsch und exklusiv ist, aber nur von fragwürdigem Wert.

Muss die Industrie, müssen Marketinghersteller, müssen Künstler völlig gelangweilten Reichen etwas anbieten, dass ihnen das Gefühl von Einzigartigkeit und hohem Selbstwert vermittelt?

Man kann alles mit Edelmetall, Samt, Seide, Leder, Edelholz, Glitzer und was-auch-immer aufhübschen und die abenteuerlichsten Preisschilder daran heften.

Und jetzt komme ich als Spelverderberin, obwohl große Freundin vom Anblick tröstender Ästhetik:

Sehe ich Kinder vor 3,50 Euro-Orangengläsern an der KÖ in Edelklamotten mit ihren verjüngten Mammis sitzen (den Kinder sei’s gegönnt), denke ich an den die sozialbenachteiligten Familien, die im Flur oder auf dem Balkon eine 12er Packung Billigsüßgetränk oder Wasser stehen haben. Die davon mehrere Tage leben müssen.

Sehe ich beim Edelitaliener einzelne Kekse, die mit 1,20 Euro ausgezeichnet sind, denke ich an den Tagessatz Essensgeld eines Sozial – und Arbeitslosenhilfe II Abhängigen und an Niedriglohn – „Verdiener“.

In einerm Spot für einen Mobilfunkanbieter erschallt im Off eines TV- Spots der Schlager:

Wer kann das bezahlen, wer hat soviel Geld

Die bösen Tarifmonster werden mit angeblich hochindividuellen Bausteinen von Preisangeboten vertrieben. Dennoch: Auch das kann sich nicht Jeder leisten.

Dann erinnere ich mich wieder an die Einkaufstaschen aus edlem Papier diverser Luxuslabel. Und wie meist doch überaus gelangweilt sie getragen werden. Ich habe eine junge Frau zufällig beobachtet, wie sie ein Luxusgut in einem Kaufhaus eines vor Kurzem erst von Konkurs bedrohtem Unternehmen bezahlte. Der Kassierer flirtete mit ihr, und sie flirtete zurück. Das rundete sicher das gute Gefühl des gerade frisch Erworbenhabens ab. In dem Moment, als sie das Kaufhaus durch die Drehtür verließ, nahm die Spannkraft ihres erfreuten Gesichtes schlagartig ab. Und, als ob sie es selbst bemerkte, hob sie den Kopf, als wollte sie sagen:

ich habe gerade etwas Besonderes gekauft. Ich BIN etwas besonderes

Luxus zu erwerben scheint das Rückgrat zumindest kurzfristig zu stärken.

Wohlstand ist also eine Art

Stütze.

Doch, wie länge hält das?

Luxus als Wert an sich ist frustrierend. Die Leute kaufen etwas, enmpfinden dadurch scheinbar eine Aufwertung, brauchen aber wieder die Anerkennung, möglicherweise sogar Neid Anderer, damit sie sich nochmals darin bestätigt finden, zu einer Schicht von Menschen zugehören, die
unverwundbar ist.

Armut ist eine sehr schmerzhafte Wunde. Scham, Isolation, Hunger, Hoffnungslosigkeit, Neuprogrammierung der eigenen Identität. Von dem Wert X auf Null.

Doch, wer aus einem wohl duftenden Lederetui eine glänzende Scheckkarte ziehen kann und Aufmerksamkeit erhält, ja geradezu hofiert wird, der denkt nicht an diese Wunde.

Die Arbeitsplätze, die durch den Konsum der Reichen notwendig sind, erscheinen mir von der Anzahl her sehr dürftig: Vor Edelboutiquen, Juwelieren und High Class Hotels stehen gut gekleidete und wohltrainierte Guards. Die Immobilien, die sie beschützen sind riesig. Verkäufer und auch Ware gibt es kaum. Einmal habe ich einen Mann mit seinen ganzen Frauen in einen solchen Laden gehen sehen. Da war er mal voll. Diese Kundschaft kommt sicher eher selten vor. Und würde Sarrazins und Co erfreuen? Wenn’s ums Geld geht…

Und nur darum gehts. Ums Geld, nicht um Anpassung.

In Zeiten, wo das Thema Armut durch das Thema Integration verdrängt wird, frage ich mich wirklich nach einem Düsseldorf Trip, inwiefern Wohlhabende zu diesen Themen einen konstruktiven Beitrag leisten.

Erhellend, wenn auch sehr deprimierend ist das Kontrastprogramm Garath, Bilk, Unterrath und Teile von Flingern.

Hier ballt sich die Armut so sehr, dass man überwältigt wird, auch ohne, dass man die Luxusmeilen besucht hat.

Wissen Sie, wie ich die Arnut in Unterrath entdeckt habe? Die Bahnschienen der Linie 712 werden neu bebaut. Über lange Strecken gibt es einen Busersatzverkehr.

Böse Zungen mögen mir jetzt einen Tunnelblick vorwerfen wollen. Böse Zungen wird es immer geben.

Aber Etwas sehe ich doch ganz deutlich: Die Armen können ihre Situation nicht ändern – von wegen:

Jeder ist seines Glückes Schmied

Ich erwarte nicht von wohlhabenden Menschen, dass sie im übertragenen Sinne aus ihrer Haut heraus und sich im krassen Verzicht üben müssen.

Mir sagte eine Designerin, deren Kleider von 2000 Euro bis mindestens 8000 Euro aufwärts kosten sollen, auf die Frage, warum Menschen arm sind:

Alles ist Einstellungssache.

Ich empfand das als sehr dumm und zynisch. Mit einer veränderten Einstellung kann man seine Armut nicht komponsieren, erst recht nicht beseitigen.

Wer seine Einstellung ändern muss, das sind die Wohlhabenden. Und bitteschön: Die können sich selbst das sehr gut leisten. Hier finde ich, darf man pauschalieren.

Gisela B. Laux

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