Radler oder Cappuccino? Wer wird heute in der EM 2012 gewinnen? Cappuccino! Das wurde nach 36 Minuten entschieden.

Heute bin ich gar nicht parteiisch. Obwohl ich ausgesprochen italien-affin bin, bin ich immer auf der Seite derer, die sich als Verlierer fühlen oder so bezeichnet werden. Demnach wäre es der deutschen Mannschaft heute zu gönnen, dass sie das Spiel für sich entscheidet.

Ich wünsche mir Ästhetik, Eleganz, Männlichkeit, Fairness, bestes Teamplay, Enthusiasmus, Stil und Emotionen.

Sehr gerne auch Elfmeter. Langweilig darf das Spiel nicht werden.

20:25h: Gleich ist es soweit. In manchen Großstätten wird schon seit Stunden gefeiert. Hierzulande ist man wegen des sonnigen Tages guter Laune. Obwohl ein Schatten über Europa hängt. Man gönnt sich einstweilen die Verdrängung und Vertagung auf den Blick zur harten Realität.

Zukunftsangst? Soll erst morgen wieder sein.

20:45h.

Respekt für Vielfalt

Das UEFA Motto gegen Diskriminierung. Mit diesem Claim beginnt das heutige Spiel. Manch Einer mag dies überflüssig finden. Es ist ein ernster Beginn, aber damit wird ein notwendiges Zeichen gesetzt.

Nach 19 Minuten und 25 Sekunden fällt durch Mario Balotelli der erste Tortreffer für Italien. Ein entspanntes, aber flüssiges Spiel mit einigen Torversuchen von beiden Mannschaften, gehalten durch gleichwertige Keeper erlebt das Spiel seinen ersten Höhepunkt.

Mit dieser ersten positiven Stimmung steigt die Anspannung der Spieler. Während man vorerst konzentriert und hochmotiviert spielte, auf beiden Seiten, wird nun zunehmend verdichtet gefoult. Das schafft Arbeitsaufträge für die Schiedsrichter.

Dann – plötzlich –

man bekommt fast einen kalten Schauer…

ein freier Platz vor Neuner, Mario Balotelli rennt auf das deutsche Tor zu, das nicht verteidigt wird,

und trifft.

2:0 für Italien! in der 36. Spielminute.

Das Mario Balotelli reisst sich das leuchtend blaue T-Shirt von seinem perfekt definierten Oberkörper. Gracie! Warum bekommt er denn dafür die gelbe Karte?

Das Publikum ist ohne Ende begeistert. Vermutlich ausschließlich in den italienischen Rängen. Aber: das ist gute Laune. So mag ich passiven Sport.

Doch auf dem Spielfeld schlägt die Stimmung wieder rasch um. Wieder wird verstärkt gefoult. Hoffentlich motiviert Löw seine Spieler in der Halbzeit, sodass diese wieder zu eine guten Spiellaune wie in den ersten Minuten zurückfinden, als sie noch locker Torversuche starteten.

Das Publikum feuert seine Mannschaften an. Ich frage mich, wie man auf dem Spielfeld diesen Geräuschpegel von sich abschotten kann, um sich auf das Spiel zu konzentrieren.

Man könnte bei diesem Spiel die Grundregeln des Fußballs lernen. Fouls, gelbe Karten, Eckbälle, Freistösse…Bei Verletzungen aber hört der Spaß auf.

Die Emotionen scheinen gemischt: Hoffnung, Enttäuschung und ein Nicht-damit-abfinden-können, dass das Spiel schon vor der Halbzeit verloren ist und Zuversicht und Vorsicht auf der vorläufigen Gewinnerseite Italien.

Vorläufig nur noch 22 Minuten. Der italienische Spieler Natale wird eingewechselt. Das Publikum pfeift ungehalten.

Thomas Müller wird von Löw ins Spiel eingewechselt. Strategische Erklärungen des Moderators. Eine „3er Kette“ soll gebildet werden.

Ich bekomme Lust, auf einen Spielfilm umzuschalten. Das Leben ist kurz.

Die 78. Minute. Dieses Spiel macht nicht an. Das ist kein Fußball as it’s best. Der Moderator kündigt schon „Waldi’s Club“ an.

Es ist…langweilig.

In der 83. Minute wird ein Tor geschossen. Doch es zählt nicht. Der vermeintliche Schütze ist Di Natale und trifft nur das Außennetz. Es folgt ein „Abseits“…oder auch nicht. Es folgen Torchancen, die nicht in Tore münden.

Was ist aus meinem frommen Wunsch geworden? Was aus

Ästhetik, Eleganz, Männlichkeit, Fairness, bestes Teamplay, Enthusiasmus, Stil und Emotionen?

Endlich: Nach geschlagenen 90 Minuten gibt es endlich einen Elfmeter.

2:1 für Italien durch Mesut Özil, der konstant engagiert in diesem Spiel ablieferte. Noch eineinhalb Minuten und 100% Hoffnung für so manchen Fan der deutschen Mannschaft.

Das war eine kleine Ehrenrettung, eine gute Leistung eines Spielers, ein Trostpflaster.

Die deutsche Mannschaft hat dieses Spiel verloren. Die Spieler fliegen morgen nach Frankfurt.

Was soviel bedeutet, wie Cappuccino für Alle.

Gratulation der besseren Mannschaft.

Copyright Gisela B. Laux 2012

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