Dramaturgisches Desaster der Faust I Inszenierung der Bonner Kammerspiele

Gestern fand die letzte Inszenierung in den Bonner Kammerspielen des Faust I statt.

Vor dieser dozierte eine Dramaturgin über die Entstehung des Faust I und II, die Reaktionen darauf, ebenso wie die Interpretationen in vergangenen Literaturepochen.

Unter Anderem sagte sie, dass in der Aufklärung der Mystizismus im Faust I kritisiert wurde. Wie das zu beurteilen ist, wissen nicht nur Theaterwissenschaftler.

Die Dramaturgie der Inszenierung würde

das Heutige

aufnehmen, es wäre Heinrich Kleist eingebaut, aus der Originalfassung des Faust I von Johann Wolfgang von Goethe hätte man 90% übernommen und noch so Einiges hinzugefügt.

Die Gretchenfrage hätte man bewusst weggelassen.

Vor der Aufführung trat sie dann auf die Bühne vor das gesamte Publikum und sagte, die Darstellerin des Gretchen trüge einen Gips an der Hand, was aber nicht Teil der Dramaturgie sei.

Zur Inszenierung:

Sie war ein Alptraum aus Trash von Klischees aus den neuen Medien.

Ob Fat Suit oder Smiley, lockere Sprüche, das komplette Blankziehen von Faust und Gretchen: Es wurde an Effekthascherei nicht im Mindesten gespart. Das war nicht Post-post-post-modern, das war keine Anlehnung an die

Globalisierung und den Neoliberalismus

das war ein pauschaler Vorwurf an das Publikum, dass es zwar im Hamsterrrad sitzt, es sich aber selbst gebaut hat.

Wäre es Improvisationstheater gewesen, und wir, das Publikum hätten mitagieren und mitgestalten dürfen, dann hätte diese völlige Verfremdung und das Ausschlachten von Klischées, diese agressiv-machenden Provokationen den Sinn gemacht, in den Dialog zu kommen.

Goethe wollte nicht beleidien, nicht schockieren, bis man aufgefühlt oder erstarrt ist, er wollte auch nicht animieren, dass man über platte Witze lacht, er wollte bewegen.

Gegner glauben uns zu widerlegen, indem sie ihre Meinung wiederholen und auf die unsre nicht achten.

Johann Wolfgang von Goethe

Durch die Provokation sich an den Auswirkungen des Neoliberalismus in der Sprache und dem neu entstandenen Fundus der Kommunikation aus den neuen (alten) Medien zu bedienen, findet diese Endlosschleife von Wiederholung statt. Es wurde in der Inszenierung wiederholt, womit uns Neoliberalisten, Befürworter und Nutznießer des Neoliberalismus tagtäglich penetrieren, bis zum Kotzen.

Man versteht den Lebemann Goethe falsch, wenn man eine Wixszene in Gestalt eines Mephisto (es gab deren drei in der Inszenierung, als Alter Ego des Faust) präsentiert.

Gerne der Zeiten gedenk‘ ich, da alle Glieder gelenkig – bis auf eins. Doch die Zeiten sind vorüber, steif geworden alle Glieder – bis auf eins.

Johann Wolfgang von Goethe

Er hatte Humor und war ein Lebemann, und er befand sich als Adeliger in den Kreisen, in denen er wahrgenommen wurde, nicht so wie Künstler heute, die nach jedem Auftrag einen Neuen akquirieren und immer wieder von „Sozialleistungen“ zwangsläufig leben müssen, wenn sie ohne Engagement sind.

Und es sind nicht alle Immendorfs.

In der Vorrede zur Inszenierung sagte die Dramaturgin, dass man Faust nicht als Gelehrten darstellt, sondern als Künstler; denn Menschen mit Generalwissen gäbe es nicht mehr, man würde sich im Studium nur noch spezialisieren.

Das ist heute so, ja.

Aber die Generation vor der „Generation Y“, die Jahrgang 1960 pus sind, kannten den Bachelor nicht. Wir mussen in Geisteswissenshaften an Wissen breit aufgestellt sein. Sonst hätten wir keinen Magister- oder den Promotionsabschluß erfolgreich absolvieren können. Unter uns gibt es noch Viele, die keine Ja-Sager und Zyniker sind, weil sie es nicht geworden sind, die wie Goethe noch etwas bewegen wollen, und dafür gewiss nicht zum Lachen in den Keller gehen.

Aber über die Provokationen von gestern konnte ich nicht lachen. Das war zu plakativ, zu platt.

Ich lasse mich nicht von einem Theater in Sippenhaft nehmen, dass die Gier in unserer Zeit regiert. Denn ih bin nicht gierig. Ich strebe nach Lebensqualität. Für mich. Und wünsche sie mir weltweit. Es muss eine funktionierende Logistik für die Beseitgung der Armut geschaffen werden. Ethik kann man nur bedingt vorschreiben, man muss sie vorleben. Dann kann man sie auch vermitteln.

Goethe ist dem Sturm und Drang und der Aufklärung zuzuordnen.

Lehre tut viel, aber Aufmunterung tut alles.

Johann Wolfgang von Goethe

Das gestern war hingegen Telenovela und de Mol.

Copyright Gisela Laux 2015

About dielaux