„Deutschlands meistes Wohnzimmer“ – eine Realsatire. Oder so.

Nach „Deutschlands meister Kreditkarte“ nun schon seit langem: „Deutschlands häufigstes Wohnzimmer“. Recherchiert, kreiert und aufgebaut in einem eigenen Showroom von der Werbeagentur Jung von Matt, oder wie sie es selbst nennen: „Ein Forschungsprojekt des Jung von Matt Planning“.

Es lebe mal wieder die Statistik! Gott, sind wir berechenbar: Deutschland „meiste Paare“ sind zusammengesetzt aus Sabine (42) und Thomas (45), sind beide berufstätig. Sabine natürlich nur halbtags. Der gemeinsame Sohn, der – ach, sie heißen mit Nachnamen übrigens Müller – also der Müllers heißt Alexander und ist mitten im Teenie-Alter, nämlich fünfzehn und Einzelkind. Die statistischen 0,2 Kinder pro Haushalt (in den 80er waren es noch „1,6 Kinder“) kann selbst Jung von Matt nicht in seine Musterfamilie integrieren. So unkompatibel kann die Wissenschaft dann doch sein.

In dem Wohnzimmer steht, liegt und hängt nun Alles, was man so als 5er Kandidat in Mathematik als Durchschnittswert, oder kleinsten gemeinsamen Nenner aus der Erinnerung heraus bezeichnen kann.

Zu sehen unter: http://www.jvm-wozi.de/?page_id=5.

Die Werbung hat`s nichts mehr leicht, so eine Mitarbeiterin von Jung von Matt, verheiratet mit dem Geschäftsführer der Agentur und übrigens vor ihm dort festangestellt, in Vollzeit.
Die Zielgruppe zu erreichen ist schwierig geworden: Zu viele Produkte der gleichen Art von zu vielen Anbietern im Wettbewerb, dazu der Zuwachs an medialen Kanälen: Nicht mehr nur der Fernseher, das Radio und die Printmedien, schon lange auch das – ja: wo wir hier gerade sind – das Internet und die Handies.

Schubladen, in der die Zielgruppen stecken, aus denen man sie wie kleine Kasper, Teddies und Puppen herauslocken muss und neue Schubladen erbauen, um das fleischgewordene Spielzeug dort hineinzulotsen: Das wird immer schwieriger. Da muss man forschen: und am besten wie: Na, empirisch natürlich.

Sie heißen weder Sabine, noch Thomas, sie haben keinen Sohn mit Namen Alexander, Sie sind weder 42- noch 45- Jahre alt – gemäß Jung van Matt also nicht mehr die Jüngsten – heißen mit Nachnamen auch nicht Müller und haben den letzten CD-Player zum Sperrmüll geworfen?

Ja?

Es lebe Ihre Individualität!

Sie sind kein potentieller Konsument. Sie sind incognito. Ja, Sie sind ein Rebell.

„Wir kriegen Euch Alle“. Diese wenig verheißungsvolle Drohung, die aus den Untiefen eines sich links- oder rechtsdrehenden Milchendproduktes, erklang, kommt mir jetzt willkürlich in den Sinn.

Werbung penetriert. Und wir können uns ihr nicht entziehen.

Bye bye eigener Wille.
Bye bye Individualität.
Bye bye Freiheit.
Aber da ist noch Hoffnung: Wir glauben nicht an die Müllers, an die Jung von Matts.
Wir glauben an unsere eigene Wahrnehmung.

Und auf die haben wir Einfluss.

Ja, durchaus.

Das ist von mir höchstpersönlich erforscht. Empirisch. Falsifikatorisch. Und überhaupt. Oder so.

Das sagt wer bitte? Na,

die laux

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